Was sind eigentlich die Langfristszenarien für die Energiewende?

Stippvisite ins Jahr 2045. Tachostand der schädlichen Treibhausgasemissionen in Deutschland: Null. Wie das gelingen kann, und wie unser Energiesystem der Zukunft dafür umgebaut werden muss, zeigen die BMWK-Langfristszenarien für die Energiewende.

Illustration: Erneuerbare Energien, Stromnetz und Verbraucher unter einer Lupe© BMWK

Darum geht’s: Für ein zukünftig klimaneutrales Energiesystem bis 2045 entwickelt das BMWK eine übergreifende Strategie – die Systementwicklungsstrategie. Grundlage dafür sind die Langfristszenarien.

Im Dezember 2023 hatten wir Sie bereits mitgenommen auf eine Stippvisite in die Zukunft der Energieversorgung, genauer ins Jahr 2045. Wie unser Energiesystem sicher und schnell klimaneutral werden kann, haben wir uns damals gefragt. Denn die Treibhausgasemissionen in Deutschland sinken zwar kontinuierlich, noch aber sind fossile Energieträger wie Öl, Kohle und Erdgas als Grundpfeiler unseres Energiesystems längst nicht Geschichte. Die Herausforderung ist gewaltig - und nur durch die Nutzung von Strom aus Erneuerbaren Energien und klimaneutralen Energieträgern, wie zum Beispiel grünem Wasserstoff, zu bewältigen.

Den Routenplaner für ein solches klimaneutrales Energiesystem liefert die Systementwicklungsstrategie, die im Sommer 2024 fertig vorliegen soll. Grundlage für diese sind sogenannte Langfristszenarien, die das Energiesystem bis 2045 betrachten und dabei auch die Klimaziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) und des Pariser Klimaabkommens berücksichtigen. Im Februar 2024 wurden vier neue Szenarien veröffentlicht, mit denen die bisher gewonnenen Erkenntnisse weiterentwickelt werden.

Vier neue Szenarien für die Energiezukunft

Ein Blick zwischen die Seiten: In den neu vorgestellten Szenarien haben sich viele Erkenntnisse aus den bisherigen Szenarien einmal mehr als robust erwiesen. Sie zeigen einen starken Ausbaubedarf der Stromnetze auf Übertragungs- und Verteilnetzebene und die große Bedeutung, die der Aufbau eines Wasserstoffnetzes, Elektrolyse, pipelinegebundene Wasserstoffimporte, Wasserstoffspeicher, Wasserstoffkraftwerke, Großwärmepumpen und Wärmespeicher in Wärmenetzen haben werden.

Im ersten der vier neuen Szenarien wird die Klimaneutralität im Jahr 2045 durch eine starke direkte Nutzung von erneuerbarem Strom erreicht (das so genannte Szenario T45-Strom*, das eine Weiterentwicklung des früheren Szenarios T45-Strom darstellt). Ein weiteres Szenario stellt einen sehr hohen Ausbau der Photovoltaik (PV) in den Mittelpunkt (Szenario T45-PV+), während Szenario Nummer 3 (T45-dezentral) zusätzlich einen hohen Zubau von Batteriespeichern annimmt. Im vierten Szenario (T45-RedH2SP) wird ein im Vergleich zum T45-Strom*-Szenario deutlich geringerer Ausbau von Wasserstoffspeichern zu Grunde gelegt.

Ausgewogener Mix an Erzeugungstechnologien von großer Bedeutung

In den neuen Szenarien wird unter anderem sichtbar, dass ein deutlich über die bereits hoch gesteckten Ziele hinaus gehender Ausbau der Photovoltaik sich nur schwer ins Stromsystem integrieren ließe. Erhebliche Teile der zusätzlich erzeugbaren Strommengen könnten dann nicht ins Stromnetz eingespeist werden, sie müssten abgeregelt werden. Batterien könnten dies zwar ein Stück weit abfedern, den hohen Umfang des abgeregelten Stroms aus Photovoltaik aber nur begrenzt verringern. Zwar ginge der Ausbaubedarf der Übertragungsnetze in einem Szenario mit hohem Ausbau von PV und Batterien etwas zurück, dafür stiege aber der Ausbaubedarf in den Verteilnetzen an. Letztlich kommt einem ausgewogenen Mix an Erzeugungstechnologien erhebliche Bedeutung für ein effizientes und kostengünstiges Gesamtsystem zu, so das Fazit.

Wichtig: Niemand kann über einen Zeitraum von 20 bis 25 Jahren eine Entwicklung zu 100 Prozent verlässlich prognostizieren. Beispielsweise lassen sich technologische Entwicklungen nur begrenzt abschätzen. Auch ökonomische, politische oder gesellschaftliche Entwicklungen können die Rahmenbedingungen stark verändern. Die Langfristszenarien können deshalb nicht die „richtige“ oder vermeintlich wahrscheinlichste Entwicklung aufzeigen. Sie sollen vor allem verschiedene denkbare Entwicklungspfade aufzeigen, mit denen die Klimaziele erreicht werden können und daraus robuste Entwicklungen ableiten.