kontrovers
Hat Heizen mit Strom Potenzial für die Zukunft?

Zu dieser Frage äußern sich Prof. Dr.-Ing. Norbert Fisch, Leiter des Instituts für Gebäude- und Solartechnik an der TU Braunschweig, und Dr.-Ing. Amany von Oehsen, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Energie am Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH (ifeu).

PRO - Univ. Prof. Dr.-Ing. Manfred Norbert Fisch, TU Braunschweig

Portrait von Prof. Norbert Fisch, Leiter des Instituts für Gebäude- und Solartechnik an der TU Braunschweig © TU Braunschweig, Institut für Gebäude- und Solartechnik

Nach dem absehbaren Ende des Heizens mit Öl und dem Übergang, in den nächsten Jahrzehnten dafür vorzugsweise Erdgas einzusetzen, werden langfristig die zunehmend "grüner" werdenden Stromnetze, kombiniert mit der dezentralen Nutzung erneuerbarer Energieträger, die Energieversorgung von Gebäuden und Quartieren abdecken. Wir gehen einer "Strom-Gesellschaft" entgegen und Strom wird zunehmend ein "Primärenergieträger".

Heizen mit Strom hat ein hohes Zukunftspotenzial: vorzugsweise durch den Einsatz von elektrischen Wärmepumpen mit Jahres-Arbeitszahlen größer 3 und insbesondere in der Kombination mit gebäudeintegrierten Photovoltaik-Anlagen.

Durch den steigenden Anteil der erneuerbaren Energien im Strommarkt werden der Primärenergiefaktor (in Richtung 2) und der CO2-Footprint des Netzstroms weiter sinken und damit die ökologische Bewertung der elektrischen Wärmepumpen-Systeme gegenüber den konventionellen Öl- und Gaskesseln zusätzlich verbessern.

Der PV-Strom ist selbst bei kleineren Anlagen auf Wohngebäuden kostengünstiger als Haushaltsstrom und sollte schon deshalb im Gebäude selbst genutzt werden (Eigenstrom). Durch eine elektrische Wärmepumpe in Kombination mit größeren thermischen Speichermassen und adaptiven Regelungen lässt sich der Eigenstromanteil einer gebäudeintegrierten PV-Anlage erheblich steigern. Das entlastet zudem die öffentlichen Stromnetze. Das "Kühlen mit PV-Strom" über die reversible Wärmepumpe (Kältemaschine) ist in diesem Kontext eine weitere hochinteressante Zukunftsoption.

Der Speicherung von Überschuss-Strom über kurze und längere Zeiträume wird in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Neben den bekannten thermischen Speichern (thermisch aktivierbare Bauteilmassen, Warmwasserspeicher) sind auch die inzwischen wieder erlaubten Feststoffspeicher ("Nachtspeicher-Heizung") eine Option, jedoch mit modifiziertem Einsatz. "Power to Heat" wird in den verschiedensten Techniken in der Umsetzung der Energiewende zu untersuchen sein.

Durch die im Energiekonzept der BRD angestrebte Dezentralisierung der Energieversorgung und die Zielsetzung der EU-Gebäuderichtlinie, einen "Nearly Zero Energy Building Standard" im Neubau bis 2020 umzusetzen, werden der Strom- und Wärmemarkt näher zusammenrücken müssen. Dabei wird das "Heizen mit Strom" eine nicht unwesentliche Rolle spielen.

Univ. Prof. Dr. Ing. Manfred Norbert Fisch ist Leiter des Instituts für Gebäude- und Solartechnik an der TU Braunschweig und CEO von EGSplan, Stuttgart.

CONTRA – Dr.-Ing. Amany von Oehsen, ifeu

Amany von Oehsen vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH (ifeu) © IFEU

Unter dem Stichwort Power-to-Heat werden derzeit Konzepte erprobt, Stromüberschüsse aus Solar- und Windkraftanlagen durch den flexiblen Einsatz von Elektroheizungen zur Wärmebereitstellung zu nutzen. Das Ziel: eine bessere Integration der fluktuierenden Stromerzeugung ins Energiesystem. Stadtwerke und Energieversorger bauen Elektroheizkessel im Megawattmaßstab, die Nachtspeicherheizung versucht als "Windheizung" ökologisch wieder hoffähig zu werden. Doch welche ökologischen Vorteile werden durch Heizen mit Strom erreicht?

Da die Verwendung von Strom aus erneuerbaren Quellen Voraussetzung für einen ökologisch sinnvollen Einsatz von Power-to-Heat ist, muss bei der Antwort zwischen der kurzfristigen Perspektive und der längerfristigen – der Rolle von Stromheizungen in einem Stromversorgungssystem, das durch Wind- und Solarstromerzeugung dominiert wird – unterschieden werden. Überschusssituationen, in denen die erneuerbare Stromerzeugung die gesamte deutsche Stromnachfrage übersteigt, sind in den kommenden fünf Jahren nur in marginalem Maße zu erwarten. Zwar treten lokale Überschüsse aufgrund von Netzengpässen sowie negative Strompreise auch heute schon auf. Doch müssen die Lösungsansätze Netzausbau und -optimierung sowie ein flexiblerer Kraftwerkspark aus ökologischer Sicht Vorrang vor einem "Verheizen" des Stromes haben.

Der Bau von Elektrokesseln kann zu Demonstrationszwecken sowie zur Bereitstellung von Regelenergie befürwortet werden, denn in der Langfristperspektive, in der deutschlandweit große Stromüberschussmengen zu erwarten sind, sind sie insbesondere im Prozesswärmemarkt eine effiziente Technologie zum Ersatz fossiler Brennstoffe. Ein Austausch von Nachtstromspeicherheizungen ist jedoch unabhängig vom Betrachtungshorizont ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Denn mit der Wärmepumpe steht eine Technologie bereit, deren Klimabilanz rund dreimal besser ist. Ihr Ausbau im Rahmen einer "Smart Heat-Strategie" - das heißt eine intelligente Einbindung in sanierte Gebäude - ist langfristig zentral für eine Dekarbonisierung der Wärmeversorgung. Die wichtigste Voraussetzung für diesen Umbau sind jedoch: ein wirkmächtiger, da weiterentwickelter, Emissionshandel und ein fortgesetzter dynamischer Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Dann hat Heizen mit Strom Zukunft.

Dr.-Ing. Amany von Oehsen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Energie des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH (ifeu).

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