Was ist eigentlich „grüner“ Stahl?

Die Stahlproduktion in Deutschland soll spätestens 2045 klimafreundlich sein. Dafür muss sie grundlegend umgebaut werden. Wie das geht? Im Rampenlicht stehen „grüner“ Wasserstoff und klare Kriterien dafür, was „grün“ eigentlich bedeutet.

Illustration: Erneuerbare Energien unter einer Lupe© BMWi

Darum geht’s: Noch zählen die Stahlhersteller zu den größten CO2-Emittenten unserer Industrie. Bis 2045 jedoch sollen sie klimafreundlich produzieren. Dafür muss Stahl zukünftig ohne fossile Energien entstehen.

Bis 2045 soll Deutschland treibhausgasneutral wirtschaften. Bis 2030 müssen die klimaschädlichen Emissionen dafür um mindestens 65 Prozent und bis 2040 um mindestens 88 Prozent gemindert werden – immer im Vergleich zu 1990. Am besten gelingt das, wenn dort eingespart wird, wo besonders viel CO2 entsteht. In Deutschland gilt das zum Beispiel für die Industrie. Allein die Stahlindustrie verursacht rund 30 Prozent der industriellen Emissionen. Klar, dass hier dringend was passieren muss.

Wann es „grün“ wird: Stahl ist nicht gleich Stahl

Zum besseren Verständnis ein kleiner Schlenker in die Welt der stahlharten Fakten. Produziert wird Stahl bisher auf zwei Wegen: Rund zwei Drittel des deutschen Stahls entsteht in Hochöfen unter Einsatz von Koks, Kohle und Gas. Das andere Drittel stammt aus der Elektrostahlproduktion. Sie ist bereits jetzt CO2-ärmer, da sie oft auf fast 100 Prozent Recycling (Schrott) basiert. Um die Klimaziele zu erreichen, muss also vor allem die Hochofenproduktion auf andere Verfahren umsteigen. Ziel ist die Herstellung von sogenanntem „grünen oder klimafreundlichen“ Stahl, dessen Herstellung viel emissionsärmer als bisher gelingt und „nahezu null“ Emissionen verursacht.

Dafür wird die Hochofen-Route auf eine wasserstoffbasierte Produktion umgestellt. Die verwendeten Direktreduktionsanlagen kommen – anders als Hochöfen – ohne Kokskohle aus. Das Eisenerz wird in ihnen mit Wasserstoff reduziert (zu festem Eisenschwamm, der dann im weiteren Verfahren noch geschmolzen werden muss). Im Idealfall kommt dafür grüner Wasserstoff zum Einsatz, also solcher, der unter Einsatz Erneuerbarer Energien hergestellt wurde. Deshalb spielt auch die Verfügbarkeit von erneuerbarem Strom eine zentrale Rolle - ebenso bei der Dekarbonisierung der sehr stromintensiven Elektrostahlproduktion.

Unterstützung der Transformation durch Förderung

Das BMWK unterstützt die Stahlindustrie bei der Transformation, sowohl bei der Umstellung der Hochofen-Route als auch mit Blick auf die Elektrostahlhersteller. Wichtige Förderprogramme sind dabei unter anderem das Programm IPCEI-Wasserstoff und die Klimaschutzverträge. Ebenso das Programm „Bundesförderung Industrie und Klimaschutz“ (BIK). Es wird in Kürze veröffentlicht und ist der Nachfolger des Programms „Dekarbonisierung der Industrie“.

Mit Thyssenkrupp Steel (Projekt tkH2Steel), ArcelorMittal (Projekt DRIBE2), Salzgitter (Projekt SALCOS) und Stahl Holding Saar (Projekt Power4Steel) haben alle großen in Deutschland tätigen Primärstahlerzeuger große Dekarbonisierungsprojekte im Rahmen des IPCEI- Wasserstoff eingereicht und wurden für das weitere Verfahren ausgewählt. Alle vier Dekarbonisierungsprojekte sind mittlerweile von der Europäischen Kommission genehmigt worden. Drei Projekte haben schon einen Zuwendungsbescheid erhalten. DRIBE2 soll zeitnah folgen. Gemeinsam haben die Projekte, dass die kohlebasierte Hochofen-Route auf eine Direktreduktionsanlage mit zunehmendem Einsatz von erneuerbarem Wasserstoff in Kombination mit Elektrolichtbogenöfen beziehungsweise Einschmelzern umgestellt wird. Dabei soll die Produktion von mehr als elf Metertonnen Stahl pro Jahr „grüner“ werden.

BMWK-Konzept soll Leitmärkte für klimafreundliche Grundstoffe fördern

Nicht zuletzt, weil Stahl global gehandelt wird, wird es künftig wichtig sein, dass es weltweit transparente und einheitliche Regeln und Definitionen gibt, wann Stahl klimafreundlich („grün“) genannt werden darf. Noch gibt es die nämlich nicht und auch keine anerkannten Labels oder Kennzeichnungen, anhand derer es möglich wäre, die neuen von den herkömmlichen Grundstoffen zu unterscheiden. Mit dem Konzept „Leitmärkte für klimafreundliche Grundstoffe“ will Deutschland das ändern. Transparente Informationen und Definitionen sollen auf nationaler und internationaler Ebene die Wettbewerbsfähigkeit klimafreundlicher Grundstoffe stärken und die Entstehung von entsprechenden Leitmärkten fördern. Das Konzept konzentriert sich zunächst auf die drei größten Branchen der energieintensiven Grundstoffindustrie: Stahl, Zement und Chemie.

Kennzeichnungen, Labels und Vergabevorteile für klimafreundliche Produkte

Aufbauend darauf könnten verlässliche Kennzeichnungssysteme entwickelt werden. Kennzeichnungen und Label sind ein wichtiges und zugleich bürokratiearmes Instrument, damit Abnehmerinnen und Abnehmer klimafreundliche von herkömmlichen Produkten unterscheiden können. Unternehmen könnten so ihre klimafreundlich hergestellten Produkte standardisiert bezeichnen und bewerben.

Das Konzept schlägt unter anderem auch vor, klimafreundliche Produkte in Vergabeprozessen zu bevorzugen (bis diese spätestens ab 2045 in Deutschland und ab 2050 in Europa der „Standard“ sind). Weitere mögliche Maßnahmen auf europäischer Ebene sind Anforderungen an die Emissionsintensität von Grundstoffen und Produkten sowie Quoten für klimafreundliche Grundstoffe.

Das BMWK begrüßt auch Vorstöße zur Umsetzung aus der Industrie, wie die neulich auf der Hannover Messe vorgestellte Kennzeichnung LESS (Low Emission Steel Standard) der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Sie sind eine wesentliche Stellschraube, um Transparenz und Anreize für klimafreundliche Grundstoffe und Produkte im Markt zu schaffen.

So kann „grüner“ Stahl ein international verlässliches und nachgefragtes Produkt werden, das bewusst verwendet wird und klimaschädliche CO2-Emissionen vermeidet. Mehr dazu steht auch im „Handlungskonzept Stahl“, das ein politisches Gesamtkonzept für eine langfristig starke, international wettbewerbsfähige und klimaneutrale Stahlindustrie darstellt.