Von Nano bis nachhaltig: innovative Dämmstoffe

Milchsäure in der Hauswand oder Holzschaum auf dem Dach? Neuartige Materialien und verbesserte Technologien machen die Wärmedämmung von Gebäuden immer effizienter, schlanker – und ressourcenschonender.

kleine Modellhäuser aus Dämmstoff© Ingo Bartussek/ Fotolia.com

Was sind eigentlich Dämmstoffe?

Dämmstoffe sind Baustoffe, die vor allem ein Ziel haben: die Wärme dort zu halten, wo sie hingehört – im Sommer draußen, im Winter drinnen. Dabei gilt: Weniger ist mehr. Denn je niedriger die Wärmeleitfähigkeit des Materials, desto besser ist seine Dämmwirkung. Trotzdem gibt es nicht den einen "idealen" Dämmstoff. Welches Material zum Einsatz kommt, hängt unter anderem von der Art der Dämmung – zum Beispiel Dach- oder Fassadendämmung – und dem Baustil des Gebäudes ab. Bei der Suche nach dem passenden Dämmstoff für das eigene Vorhaben sollten Hauseigentümer deshalb unbedingt den Rat eines Experten einholen.

Bestseller seit 35 Jahren: Mineralwolle und EPS-Hartschaum

Sie besteht aus Altglas oder Stein – und ist trotzdem weich und leicht: Mineralwolle gehört zu den Klassikern unter den Dämmmaterialien. "Bereits vor 35 Jahren – als die Wärmeschutzverordnung eingeführt wurde – wurden zu 55 bis 60 Prozent Dämmstoffe aus Mineralwolle verwendet, gefolgt von EPS-Hartschaum-Dämmstoffen mit 30 bis 35 Prozent sowie diversen anderen Produkten", erläutert Hans Erhorn. Er ist Abteilungsleiter Wärmetechnik beim Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) und forscht mit seinen Kollegen im Bereich des energieeffizienten Bauens und Wohnens. Die genannten Marktanteile gelten laut Erhorn auch heute noch. Verändert habe sich allerdings die umgesetzte Menge an Dämmstoffprodukten: "Waren es 1979 noch knapp 17 Millionen Kubikmeter jährlich, hat sich das Volumen heute nahezu verdoppelt." Diese Entwicklung zeigt Wirkung: So habe sich auch der Heizenergiebedarf von Neubauten in derselben Zeitspanne stark reduziert – und betrage heute nur noch etwa ein Fünftel des damaligen Werts.

Effizienter, schlanker, dynamischer: innovative Dämmmaterialien

Ob Stroh oder Schafwolle, Blähton oder Holz: Die Auswahl an Dämmmaterialien ist insgesamt riesig. Und es kommen immer neue hinzu. Auch die Wissenschaftler am IBP arbeiten daran, innovative Dämmstoffe zu entwickeln – und bekannte Materialien noch besser zu machen. Erhorn: "Letztendlich geht es darum, die Performance der Dämmsysteme zu steigern. Hier gibt es viele Gesichtspunkte, die ein solches Produkt erfüllen muss: Energieeffizienz ist nur einer davon, wenn auch ein sehr wichtiger." Ein Ziel sei es zum Beispiel, die Wärmedämmfähigkeit der Materialien zu erhöhen, sodass die Systeme "schlanker" ausgeführt werden können. "Dies würde auch die Akzeptanz auf Seiten von Architekten und Bauherren steigern." Zudem komme in der letzten Zeit auch der Wunsch nach dynamischen Eigenschaften hinzu. Denkbar sei zum Beispiel eine "Cabrio-Variante" der Wärmedämmung, die man im Sommer reduzieren und im Winter wieder verstärken kann.

Winzige Teilchen, riesiger Effekt: Nanotechnologie in der Wärmedämmung

Nanotechnologie gilt als Zukunftstechnologie schlechthin. Und auch im Bereich der Wärmedämmung setzen Wissenschaftler große Erwartungen in den Einsatz winzigster Strukturen. Ein Beispiel sind spezielle, sehr dünne Dämmplatten, bei denen kleine Teilchen aus Siliziumdioxid und Graphit unter Vakuum in Folien eingeschweißt werden. Eine weitere Anwendung ist eine Kombination aus Steinwolle und Aerogel, einem hochfeinen Glasgitter mit extrem kleinen Poren. Zusammen bilden diese beiden Materialien ein besonders wärme- und schalldämmendes sowie stabiles Team, das in Dämmplatten verarbeitet werden kann.

Natürlich und klimaverträglich: Dämmen mit nachwachsenden Rohstoffen

Ein weiterer Trend ist das Dämmen mit nachwachsenden Rohstoffen. Vielversprechend ist laut Erhorn zum Beispiel das Aufschäumen von Holz. Wissenschaftler experimentieren in diesem Zusammenhang mit verschiedenen Herstellungsverfahren: So kann man Holz zunächst in feine Partikel zermahlen. Die so entstandene, schleimige Masse wird dann mit Hilfe von Gas aufgeschäumt und anschließend ausgehärtet. Ein alternatives Verfahren basiert auf chemischen Prozessen und ähnelt dem Backen eines Teiges im Ofen. Das Ergebnis ist ein leichter Grundwerkstoff, der sich entweder zu Hartschaumplatten oder elastischen Schaumstoffmatten weiterverarbeiten lässt. Eine andere Innovation auf dem Markt für pflanzliche Dämmstoffe ist ein Hartschaum aus Milchsäure, die aus Zucker oder Mais gewonnen wird. Das so entstandene Material kann nach der Nutzung professionell kompostiert und wieder der Erde zugeführt werden.

Luftleerer Hoffnungsträger: Vakuumdämmung

Große Erwartungen setzen Experten in die sogenannte Vakuumdämmung. Das Prinzip: Eine Platte aus gepresster Kieselsäure oder Hartschaum wird gasdicht umhüllt und anschließend luftleer gesaugt. Das Ergebnis sind Vakuumpaneele, die bis zu 10-mal dünner sind als herkömmliche Dämmmaterialien. "Besonders für Architekten ist die Vakuumdämmung ein Hoffnungsträger, da sie ihre Konstruktionen hiermit deutlich schlanker als mit konventionellen Dämmstoffen ausführen können", so Hans Erhorn vom Fraunhofer IBP.

Bewährungsprobe im Baustellenalltag

Ob ultradünn oder besonders klimafreundlich – neue Entwicklungen auf dem Dämmstoffmarkt müssen für Hans Erhorn vor allem eines können: den Praxistest auf der Baustelle bestehen. Neu ist für den Experten deshalb nicht immer besser: "Aus meiner Sicht haben Optimierungen von klassischen Systemen eine bessere Chance, schnell den Markt zu durchdringen, als völlig neue Technologien, die eine Herausforderung für die Fachkräfte auf der Baustelle darstellen."