Haus der Zukunft

Komfortabel, sparsam und intelligent vernetzt: Die Gebäude, in denen wir in Zukunft wohnen und arbeiten werden, sollen viel bieten und viel können. Damit das klappt, arbeiten Wissenschaftler an innovativen Materialien, Technologien, Systemen und Konzepten – auch in der BMWi-Forschungsinitiative für Energieoptimiertes Bauen, kurz: EnOB.

Innenaufnahme eines Smart Home (Blick aud dem Wohnzimmer auf eine sonnige Terrasse)© GLASSX, Gaston Wicky

Deutschland ist schon jetzt Energieeffizienz-Weltmeister. Kein anderes Land setzt laut einer US-amerikanischen Studie der Umweltgruppe ACEEE seine Energie so bewusst und sparsam ein. Trotzdem ist der Energieverbrauch gerade im Gebäudebereich immer noch zu hoch, um die selbst gesteckten Klimaziele zu erreichen und die Energiewende zum Erfolg zu führen. Die bestehenden Sanierungsprogramme leisten zwar einen wichtigen Beitrag: Über 3,8 Millionen Wohnungen wurden bislang allein mit dem CO2-Gebäudesanierungsprogramm des Bundes energetisch saniert oder neu gebaut. Doch das allein reicht nicht aus.

Wissenschaftler arbeiten deshalb am energieeffizienten Haus der Zukunft. Dafür entwickeln sie neue Ideen und Konzepte sowie innovative Technologien und Materialien. "Gerade im Gebäudebereich können energieeffiziente Technologien weltweit einen wichtigen Beitrag leisten, um den Energieverbrauch zu reduzieren und damit CO2-Emissionen sowie Energiekosten von Verbrauchern, Unternehmen und der öffentlichen Hand zu senken", betont Staatssekretär Rainer Baake die Bedeutung der Forschungsarbeit.

Klimaanlage mal anders: Wände und Decken regeln die Temperatur

Ein Forschungsgebiet von EnOB sind Baumaterialien, die wie eine Klimaanlage die Temperatur in Räumen beeinflussen können – ganz ohne Technik. Damit das funktioniert, werden in Wände oder Decken Phasenwechselmaterialien (auf Englisch: Phase Change Material, kurz PCM) integriert. Dabei handelt es sich beispielsweise um Salz, das Wasser enthält – sogenanntes Salzhydrat. Dieses Salzhydrat ändert bei Wärmezufuhr seinen Zustand von fest nach flüssig und speichert entweder Wärme oder Kälte. In Wände oder Decken verbaut, nimmt es überschüssige Raumwärme auf, so dass die Temperatur tagsüber nicht zu hoch wird. Bei der Nachtlüftung gibt es die Wärme wieder ab und speichert stattdessen Kälte, mit der dann am nächsten Tag der Raum angenehm gekühlt werden kann. Auf eine Klimaanlage kann dadurch entweder ganz verzichtet werden. Oder sie lässt sich mit extrem reduziertem Energieverbrauch betreiben. Neben Wänden und Decken lassen sich PCM auch in den Putz, in Raumverkleidungsplatten oder in Fassadenelemente integrieren.

Doppelt gut: das Dach, das dämmt und Energie erzeugt

Auch das Dach eines Gebäudes wird in Zukunft weitere Aufgaben übernehmen. Bis jetzt nutzt man Solaranlagen auf Dächern, um Strom oder Wärme zu erzeugen. Diese Anlagen werden jedoch zusätzlich auf das eigentliche Dach montiert. Im Rahmen von EnOB haben Forscher der technischen Hochschule in Aachen gemeinsam mit Industriepartnern ein Dach entwickelt, das direkt selbst Energie erzeugt und gleichzeitig auch noch gut dämmt. Es besteht aus einzelnen rechteckigen Elementen aus Textilbeton. Dabei handelt es sich um Beton, der durch ein gitterartiges Netz aus Textilfasern verstärkt ist.

In die oberste Schicht der Betonelemente sind Matten mit dünnen Rohren eingelassen. Durch diese Rohre fließt Wasser, das sich durch die Sonneneinstrahlung erhitzt. Diese Wärme kann zum Beispiel zum Heizen oder für die Warmwasserbereitung genutzt werden.

Da es sich bei den Betonteilen um Leichtbauelemente handelt, lassen sie sich ohne großen Transportaufwand auf die Baustelle bringen und sowohl in Neubauten als auch in Bestandsgebäuden installieren. Und damit nicht genug: Die Forscher arbeiten bereits daran, das Konzept auf die komplette Fassade zu übertragen.

Plug & Play: mit fertigen Fassadenelementen sanieren

Beim Thema Fassade suchen die Forscher nach kostengünstigen und einfachen Sanierungsmöglichkeiten. Ein viel versprechendes EnOB-Projekt sind Fassadenelemente, die komplett im Werk vorgefertigt werden. Jedes Element besteht aus einem Fenster samt Fensterzarge, einer Technikbox beispielsweise für Stromanschlüsse oder Internetkabel und einem Dämmstoffrand. Das Element wird einfach von außen in die alte Fensterlücke geschoben und überdämmt die bisherige Fassade an dieser Stelle. Die restliche Fassadenfläche zwischen den bereits montierten Fenstern lässt sich dann im üblichen Verfahren dämmen. Insgesamt wird die Sanierung von Mehrfamilienhäusern dadurch deutlich einfacher und kostengünstiger.

Klare Sache: Fenster testen leicht gemacht

Wer nicht auf die fertigen Fassadenelemente warten möchte und bereits darüber nachdenkt, seine Fenster auszutauschen, für den haben die EnOB-Forscher ein spezielles Messgerät entwickelt. Es heißt Uglass, ist kompakt, mobil und ermöglicht es, die Wärmeschutzeigenschaften von den derzeit eingebauten Fenstern zu testen. Denn einige Fenster halten nicht das, was die Hersteller versprechen.

Die Bedienung von Uglass und der dazugehörigen Software ist so einfach, dass auch Nutzer ohne Fachkenntnisse damit klarkommen: Fachplaner, Gutachter und Berater aus der Fenster-, Fassaden- und Glasbranche können nun einfach und schnell die Fensterqualität in bestehenden Gebäuden bewerten.

Die Forschung zum Messgerät hat zu einer weiteren Innovation geführt: einem Sensor zur Qualitätssicherung in der Isolierglasfertigung. Mit diesem Sensor lässt sich sehr genau messen, mit wie viel Edelgas der Scheibenzwischenraum gefüllt ist. Das System funktioniert "inline", also im laufenden Fertigungsprozess und innerhalb weniger Sekunden. Damit können die Hersteller verlässliche Angaben zu den Isoliereigenschaften ihrer Produkte machen. Das kommt der Fensterqualität in Neubau- und Sanierungsprojekten zugute – und somit auch den Verbrauchern.

Ganz schön intelligent: vernetzte Gebäude denken mit

Ein ganz anderer Ansatz, um den Energiebedarf von Gebäuden zu senken, ist der effiziente und intelligente Einsatz von Energie – Stichwort "Netzdienlichkeit von Gebäuden". Das bedeutet: Ein Haus wird künftig nicht nur Energie verbrauchen, sondern als Kraftwerk und Energiespeicher mit lokalen Strom- und Wärmenetzen interagieren. Beispielsweise könnte ein netzdienliches Gebäude seinen Strombedarf zeitlich verschieben: Wenn zu viel Solar- und Windstrom ins Stromnetz eingespeist wird, nutzt das Gebäude diesen Stromüberschuss, um seinen Bedarf zu decken und seine Speicher zu füllen. Beim Speichern wird der Strom in Wärme oder Kälte umgewandelt und in speziellen Wänden und Decken des Gebäudes sozusagen zwischengelagert (vgl. weiter oben: PCM). Wenn das Gebäude zu einem späteren Zeitpunkt viel Energie benötigt, Wind und Sonne gerade aber wenig Strom ins Netz einspeisen, kann es auf diesen Speicher zurückgreifen. "Vieles spricht dafür, dass neben der Energieeffizienz die Netzdienlichkeit ein weiteres grundlegendes Designkriterium für die zukünftige Gebäudeplanung wird", erklärt Karsten Voss, Professor für Bauphysik und Technische Gebäudeausrüstung an der Bergischen Universität Wuppertal, den aktuellen Forschungsschwerpunkt von EnOB.

Gut gebündelt: neues Netzwerk für Forschungsinitiativen

Das BMWi unterstützt neben EnOB noch weitere Initiativen im Bereich der Energieforschung: Bei EnEff:Stadt und EnEff:Wärme geht es darum, zum einen den Energieverbrauch von Stadtquartieren oder ganzen Städten zu senken und zum anderen Nah- und Fernwärmesysteme zu modernisieren und weiter auszubauen. Die dritte Initiative "Niedertemperatur-Solarthermie" hat das Ziel, mehr Sonnenenergie für die Wärmeversorgung in Gebäuden zu nutzen.

Das BMWi hat alle vier Initiativen im neu gegründeten "Forschungsnetzwerk Energie in Gebäuden und Quartieren" gebündelt. Ziel des Netzwerks ist es, die Forschung weiter zu optimieren und dafür zu sorgen, dass Ergebnisse schneller in die Praxis überführt werden können. Bei der zweitägigen Auftaktveranstaltung Ende März in Berlin kamen mehr als 200 Teilnehmer aus Forschung, Wirtschaft, Verbänden und Politik zu einem offenen Ideenaustausch zusammen. Die vielfältigen Anregungen liefern Impulse für die künftigen Förderstrategien.