Was sind eigentlich "Erdkabel"?

Die Energiewende bringt viele neue Schlagworte mit sich. In unserer Rubrik werden die wichtigsten davon aufgegriffen. Diese Woche geht es um "Erdkabel". Was ist daran innovativ, welche Vor- und Nachteile haben sie – und was hat das mit unserer Stromversorgung und dem Netzausbau zu tun?

Illustration: Erneuerbare Energien, Stromnetz und Verbraucher unter einer Lupe© BMWi

Schaut man sich in der Stadt um, scheint es erstmal nicht ungewöhnlich, dass Stromkabel unsichtbar unter der Erde verlegt werden: Im Verteilernetz, das den Strom bis in die Häuser bringt, sind Erdkabel gängige Praxis. Anders sieht es bei den Höchstspannungsleitungen des Übertragungsnetzes aus, das Strom über weite Strecken transportiert. Hier ist die Netzspannung mit 380 Kilovolt immerhin rund tausendmal so hoch wie im städtischen Niederspannungsnetz mit 220 Volt oder 400 Volt, und hier gilt die Erdkabeltechnologie als echtes Neuland. Das trifft auf die in Deutschland gängige Hochspannungs-Drehstrom-Übertragung (HDÜ) ebenso zu wie auf die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ), die künftig auf einigen der neuen "Stromautobahnen" eingesetzt werden soll.

Ob HDÜ oder HGÜ – Erfahrungen mit Erdkabeln sind rar

Standard sind bislang Freileitungen entlang der üblicherweise 40 bis 70 Meter hohen Strommasten. Dabei ist die Hochspannungs-Drehstrom-Übertragung die Technologie, die am häufigsten und schon am längsten angewendet wird. Sie gilt als wenig anfällig für Störungen und als relativ günstig. Nur auf rund 200 Kilometern des 35.000 Kilometer langen deutschen Höchstspannungsnetzes wird derzeit eine andere Übertragungstechnik genutzt.

Unterirdisch werden die Kabel im Höchstspannungsbereich derzeit nur verlegt, wenn eine Trasse durchs Meer verläuft – zum Beispiel, um Windparks auf hoher See ans Netz anzuschließen. Statt von Erdkabeln ist dann allerdings von "Seekabeln" die Rede, denen das Prinzip der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung zugrunde liegt. Diese Gleichstromleitungen eignen sich besonders für Verbindungen über lange Strecken, da die Leistungsverluste geringer sind als bei der Drehstromübertragung. Ein Plus, das auch die höheren Investitionskosten ausgleicht.

Wo Pilotprojekte möglich sind, ist gesetzlich festgelegt

Bevor Erdkabel im Übertragungsnetz an Land im größeren Umfang eingesetzt werden können, müssen allerdings ausreichende Erfahrungen mit der neuen Technologie gesammelt werden – sie entspricht momentan insbesondere im Drehstrombereich noch nicht dem Stand der Technik. Die Möglichkeit, die Kabel teilweise unter der Erde zu verlegen, war daher nach dem Energieleitungs-Ausbaugesetz nur bei vier Pilotprojekten vorgesehen.

Seit der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2014 ist die neue Technologie auch für alle "Stromautobahnen", also die Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen nach dem Bundesbedarfsplangesetz, zugelassen. Ein Ende März 2015 vom Bundeskabinett verabschiedeter Gesetzentwurf erweitert nun die Möglichkeit der Erdverkabelung erneut: Er enthält Vorschläge für zwei weitere Pilotstrecken, außerdem sollen die Kriterien für eine mögliche Erdverkabelung ergänzt werden. Das heißt: Insbesondere wenn es der Naturschutz erfordert, könnten die Kabel künftig unterirdisch verlegt werden.

Schon auf den ersten Blick sind Erdkabel gut zu erkennen: Sie sind relativ schwer und dick, weil sie mit einer isolierenden Kunststoffschicht ummantelt sind – schließlich entstehen durch die hohen Spannungen auch hohe Temperaturen. Zu sehen sind diese Kabel zurzeit zum Beispiel im nordrhein-westfälischen Raesfeld. Hier wird im Rahmen eines Pilotprojekts eine 380-Kilovolt-Leitung auf einer Strecke von circa 3,5 Kilometern verlegt. Zwei sieben Meter breite Kabelkanäle haben die Bagger bereits ausgehoben, in denen die Kabel dann innerhalb von Schutzrohren verlaufen. Wo die Erdkabel wieder an die Oberfläche treten, müssen zudem sogenannte Kabelübergabestationen gebaut werden. Mehr über die Baustelle in Raesfeld zeigt das Video der Bundesnetzagentur.

Darum geht es: Versorgungssicherheit, Akzeptanz, Wirtschaftlichkeit

Mit diesem und weiteren Pilotprojekten sollen Antworten auf eine ganze Reihe von Fragen gefunden werden. Besonders wichtig ist die nach der Versorgungssicherheit: Wie zuverlässig sind Erdkabel im Betrieb – und wie anfällig sind sie für Fehler? Schließlich sind die Leitungen in der Regel rund 1,5 Meter tief in der Erde vergraben und für Reparaturen nicht so einfach zugänglich. Zudem müssen Erfahrungen gesammelt werden, wie sich die Erdkabel auf die Umwelt auswirken: Was bedeutet es, wenn die dicken Kabel unterirdisch verlegt werden, insbesondere für den Boden?

Doch es dreht sich nicht nur um technische Erkenntnisse, sondern auch um den Planungsprozess an sich: Wie muss er sich verändern, wenn entlang der Trassen teilweise Erdverkabelungen genutzt werden? Was sagen die betroffenen Grundstückseigentümer – wie hoch ist ihre Akzeptanz für die umfassenden Baumaßnahmen? Und schließlich geht es auch ums Geld: Wie wirtschaftlich sind die Leitungen? Je nachdem, wie die Gegebenheiten vor Ort sind, ob etwa ein Fluss untertunnelt, Straßen oder andere Leitungen gekreuzt werden, könnten die Kosten eines Erdkabels drei- bis zehnmal so hoch liegen wie die einer Freileitung.